Das Leben ist wie ein Buch: Wer nicht reist, liest immer nur die selbe Seite.

Sonntag, 5. Dezember 2010

Zuhause in Peru










Ich stehe am Straßenrand und strecke ganz selbstverständlich meinen Arm aus, um den Bus herzuwinken. Den Rucksack wegen den fleißigen Taschendieben vorne tragend, quetsche ich mich -wie jeder Peruaner auch - noch irgendwie rein und versuche mir einen Sitzplatz oder zumindest einen guten Stehplatz zu ergattern. Dass der Bus so wackelt, dass man sich in Deutschland Sorgen machen würde, dass er eventuell auseinander fallen könnte, fällt mir nur noch auf, wenn ich verzweifelt versuche die Examen meiner Schüler zu korrigieren. Nähern wir uns meinem Ziel, rufe ich der Person an der Tür: „Baja, baja“: „Austeigen“ zu und springe in den 10 Sekunden, die der Bus anhält auf die Straße, bevor er dann mit einer Geschwindigkeit selbstverständlich über die nächste rote Ampel fährt.

Will ich danach die Straße überqueren, warte ich nicht wie in Deutschland darauf, dass kein Auto kommt, sondern schaue nach links und sicherheitshalber auch nach rechts (falls sich einer aus Platz- oder Zeitgründen auf die andere Spur ´verirrt´ hat) bevor ich einfach mal loslaufe – wie jeder Peruaner auch. Der spanische Architekt hat dazu einmal gesagt: „This is suicide!“: „Das ist Selbstmord!“

Schlendere ich durch die Straßen der Innenstadt fühle ich mich anders wie die vielen Touristen. Es kommt mir alles nicht mehr so fremd und neu vor wie vor einigen Wochen. Ich weiß wo ich Früchte, Klopapier, Schuhe und vieles andere kaufen kann. Das unangenehme Gefühl beim Handeln an den Marktständen hat sich schon längst verflüchtigt und wird -wegen meiner Hautfarbe- ein zu hoher Preis angeboten, gehe ich weiter zu einem anderem Stand, an dem ich behandelt werde wie jeder andere Peruaner.

Dass sich Arequipa seit einer gefühlten Ewigkeit wie ein drittes Zuhause anfühlt, hängt hauptsächlich an den folgenden zwei Faktoren: der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der peruanischen Menschen und meinen besseren Spanischkenntnissen.

Ganz egal wo ich hier hinkomme, werde ich mit einem Küsschen auf die Backe und einem herzlichen „іHola! ¿Cómo estas?“ empfangen. In einigen Geschäften werden die Kunden sogar mit einem „іHola, amigo!“, einem „Hallo, Freund“ begrüßt. Und weil man nicht nur Käufer und Verkäufer ist, kommt es auch schnell zu Gesprächen wie unter Bekannten. Peruaner sind unglaublich hilfsbereit. Kennt man sich nicht aus, ist immer schnell jemand zu finden, der dir weiterhilft oder dich persönlich zu dem gesuchten Ort begleitet und den Nachmittag dann mit dir verbringt und dich in der Stadt herumführt.

Weil man überall wegen seiner Hautfarbe, den anderen Gesichtszügen und der Größe auffällt, wird man im Bus, an der Straße oder beim Markt oft angesprochen und gefragt, was einen nach Arequipa führt oder wie es einem hier gefällt. Dann wird oft über das Klima und das Essen geschwärmt. In einem Markt sind wir bei einer Käseverkäuferin schon Stammkunden und ihr Gesicht strahlt jedes Mal wieder, wenn sie uns kommen sieht und uns ein wenig mehr von ihrem Land erzählen kann.

Von den meisten Lehrer und Direktoren meiner Schulen wurde ich vom ersten Tag an herzlich aufgenommen, von den Kindern gar nicht zu sprechen. Kaum setze ich den Fuß auf das Schulgelände rennen mir meine Schüler und andere neugierige Kinder entgegen und begrüßen mich mit einer Umarmung und vielen Küssen auf die Backe.

Meine vorher kaum vorhandenen Spanischkenntnisse haben sich in letzter Zeit sehr verbessert und ich habe nur noch sehr wenige Probleme mich zu verständigen und das Wesentliche aus einem Gespräch zu verstehen. Weil der Spanischunterricht mit unserem ersten Lehrer sehr unregelmäßig stattfand, nehme ich seit 2 Wochen Einzelunterricht in einer anderen Sprachschule. Meine Lehrerin Luz kann sehr gut auf meine Fragen und Schwierigkeiten mit der Sprache eingehen und seitdem ist für mich der Fortschritt sichtbarer und ich fühle ich mich sicherer in der Sprache.

Mit jedem neuen Wort und jedem weiteren Ausdruck kann ich mit den Leuten und Kindern meiner Organisation Circa besser kommunizieren und mehr auf sie eingehen. Aus vielen einfachen und oberflächigen Smalltalks werden langsam aber sicher interessantere und längere Gespräche. Meinen Unterricht kann ich durch mein besseres Spanisch abwechslungsreicher und spontaner gestalten und auf die Fragen der Kinder besser eingehen. In manchen meiner Klassen kann ich mich -auch ohne Klassenlehrer im Raum- relativ gut durchsetzen, weil die Kinder mich mehr respektieren, wenn ich mich besser ausdrücken kann.


1 Kommentar:

  1. Ich genieße es jedes mal deine Bericht zu lesen und mich für ein paar Minuten nach Peru zu träumen...

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