Das Leben ist wie ein Buch: Wer nicht reist, liest immer nur die selbe Seite.

Mittwoch, 23. März 2011

Parkbesuche und Schmunzelsteinchen





Seit der Rueckkehr meiner grossen Reise, hat sich hier bei Circa fuer mich viel veraendert. Seit Anfang Maerz besuchen die Kinder wieder die Schule; ich jedoch habe meinen Schwerpunkt fuer die letzten drei Monate meines Aufenthaltes auf die Kinderheime gelegt. Letztes Jahr hatte ich zwar offiziel die Nachmittage frei, um mich mit den Kindern der Kinderheime zu beschaeftigen, doch oft blieb mir keine Zeit dafuer, weil Examen korrigiert und Schulstunden vorbereitet werden mussten. Besonders in der Strandwoche mit den Kindern hatte ich gemerkt, dass mich die Arbeit mit ihnen mehr erfuellt und ich nicht genug davon bekommen kann, mich mit den Maedchen intensiv zu beschaeftigen.


Mein Neuanfang in den Kinderheimen

Mit meiner Arbeit hat sich auch mein Tagesablauf geaendert. Weil die Kinder bis 13.00 Uhr in der Schule sind, gegen 13.30 Uhr in den Kinderheimen ankommen und bis circa 14.30 Uhr zu Mittag essen, beginnt meine Arbeit erst am Nachmittag. Ich arbeite momentan in den Maedchenkinderheimen Santa Teresa (6-10 Jahre, jeweils 2 mal die
Woche) und Santa María Goretti (10-14 Jahre, jeweils 3 mal die Woche). Dort helfe ich bei allem was ansteht, doch meistens sind wir den ganzen Nachmittag damit beschaeftigt die Hausaufgaben zu erledigen. Ich diktiere also Texte, zeichne auf Blaetter Tiere, Menschen und Organe, dass die Kinder es in ihre Hefte abmalen koennen, erzaehle ueber
die Kulturen Deutschlands und USAs oder dem Erdbeben in Japan, wenn darueber etwas geschrieben werden soll, erfinde mit den Kindern Maerchen, helfe bei der mathematischen Mengenlehre oder korrigiere die Rechtschreibung. Viele Kinder kommen aus Familien, in denen sie vernachlaessigt wurden oder welche auf dem Land lebten, wo das Schulsystem noch nicht ausreichend ausgebaut ist, sodass die Kinder die Grundkenntnisse jedes Faches einigermassen erlernen. Deshalb haben viele meiner Maedchen noch in den hoeheren Stufen z.B. der fuenften Klasse grosse Probleme mit dem fluessigen Lesen, dem Verstaendnis von Aufgabenstellungen oder der Rechtschreibung, besonders der Akzentsetzung.
Weil die Kinder Montag bis Freitag nachmittags mit ihrern Hausaufgaben beschaeftigt sind, den Hausputz oder die Waesche erledigen, bleibt in diesen Tagen keine Zeit um in den Park zu gehen. Weil sie dazu Samstags und Sonntags eine Aufsichtsperson brauchen -und die Verantwortlichen der Kinderheime grundsaetzlich Ja sagen, wenn die Freiwilligen bitten die Kinder in den Park zu begleiten- nehme ich mir manchmal in der Woche einen Tag frei, um dann am Wochenende mit den Kinder in einem kleinen Park Volleyball oder Fussball zu spielen.

Es ist kaum ein Monat vergangen und all die Maedchen sind mir schon richtig ans Herz gewachsen. Klopfe ich an die Haustuer, dauert es weniger als eine Minute, bis man eine Stimme rufen hoert: "Es la Señorita Judith!" "Es ist das Fraeulein Judith!" und dann empfangen einen Kinderarme und es wird sich fast darum gestritten, neben wem ich sitze und wem ich als erstes bei den Hausaufgaben helfe. Anfangs war ich ein klein wenig unsicher, denn ich wusste nicht wirklich was mich in den Kinderheimen erwartet und wie die Kinder darauf reagieren werden, dass ploetzlich eine neue Betreuerin da ist. Doch dieses Gefuehl hatte sich nach den ersten Besuchen sofort gelegt und ich steige jetzt mit grosser Vorfreude in den Buss, der mich zu meiner Arbeit bringt.


Abschied in den Schulen mit den Schmunzelsteinchen



Mein Arbeitswechsel zu den Kinderheimen hiess gleichzeitig natuerlich auch der Abschied von meinen vielen, vielen Schuelern, die mich dieses Jahr Anfang Maerz umsonst erwarteten. Weil ich mir Mitte Dezember noch sicher war weiter als Englischlehrerin zu arbeiten, versicherte ich ihnen, dass wir uns im Maerz wieder sehen werden. Als ich kurz vor Schulbeginn die Direktoren ueber meinen Arbeitswechsel informierte, war in den Gesichtern ein wenig Enttaeuschung zu sehen; doch viel mehr bedankten sie sich herzlich fuer meine Arbeit und luden mich ein der Schule und den Kindern wann auch immer einen Besuch abzustatten.

Um mich von den Kindern zu verabschieden hatte ich nach einigen Ueberlegungen meine Geschenkideen gesammelt: Die Geschichte der Schmutzesteinchen, ein Schmutzelsteinchen fuer jedes Kind, Aufkleber und ein Plakat mit all den Fotos, die wir im letzten Jahr zusammen geschossen hatten.

Fuer alle Leser, die die wunderbare Geschichte der Schmunzelsteinchen noch nicht kennen:

"Die Geschichte von den Schmunzelsteinchen

In einem Dörflein lebten vor langer, langer Zeit viele fröhliche Zwergenmenschen.
Immer, wenn sie einander begegneten oder dem anderen eine Freude bereiten wollten, schenkten sie ein Schmunzelsteinchen.
Das beschenkte Menschlein freute sich, schmunzelte, weil ihn der Schmunzelstein so anschmunzelte, war fröhlich und wusste, der andere mag mich so wie ich bin. So war es immer.
Jeder Zwergenmensch schenkte dem anderen ein Schmunzelsteinchen und bekam auch immer wieder eines geschenkt. Und – die kostbaren Steinchen der Freude gingen niemals aus.

In der Nähe der frohen, kleinen Menschen lebte aber ein finsterer Geselle: Griesgram und Neid waren seine treuen Weggefährten.
Er konnte die Fröhlichkeit, die Freundlichkeit, das liebevolle Miteinander der kleinen Zwerge nicht nachvollziehen und gönnte aber auch den Zwergen ihre Unbekümmertheit nicht.
Als nun ein Zwerglein durch den Wald marschierte, traf es den Gesellen und überreichte ihm gleich ein Schmunzelsteinchen, damit er auch fröhlich sein könne. Doch der finstere Waldbewohner nahm das Steinchen nicht an, sondern flüsterte dem Zwerg ins Ohr: „Verschenke du nur Deine Steinchen an alle und jeden, dann hast Du bald selbst keine mehr".
Das stimmte zwar nicht, denn wenn ich etwas gebe, bekomme ich auch wieder etwas zurück. So war das auch immer mit den Schmunzelsteinchen.
Aber mit den Worten des finsteren Wichts war die Saat ausgestreut und sie ging auf. Die Schmunzelsteinchen wurden nicht mehr verschenkt, sondern im Beutel festgehalten. Bald ging jeder seines Weges ohne nach dem anderen zu sehen, das Lachen verschwand.
Jeder kümmerte sich nur noch um das Anhäufen seines Besitzes.
Missmut - Verschlossenheit - Freudlosigkeit; das waren nun die Merkmale eines sonst so fröhlichen, liebenswerten Völkchens.

Jahrzehnte gingen ins Land. Die Menschlein hetzten durch das Leben. Sie schauten nicht nach rechts und nach links. „Hilf dir selbst und du hast ein gutes Werk getan“, das war ihre neue Lebensphilosophie.

Aber irgendwo schlummerte noch die Geschichte von den Schmunzelsteinchen. Ein alter „Narr“ hatte sie von seinem Vater und dieser wieder von seinem Vater. Und er erzählte „das Märchen von den guten Vorfahren“ seinem Enkel. Nachdenkllich begann dieser Steinchen zu sammeln und sie in seiner Werkstatt mit froehlichen gesichtern zu bemalen. In den kommenden Tagen verschenkte er diese Steine an Familie und Freunde. Diese jedoch lachten ihn aus und nannten ihn verrueckt.

Einigen aber gefiel die Idee. Die Schmunzelgesichter stimmten sie fröhlich, auch wenn sie diese nur in ihrer Tasche klimpern hoerten.
Und so wurden es immer mehr, die sich durch das Verschenken von Schmunzelsteinchen auch die Fröhlichkeit und die Liebe zurückschenkten."




Weil diese Geschichte nicht im Spanischen existiert, habe ich mich also daran gesetzt sie mit Hilfe meiner Spanischlehrerin Luz zu uebersetzen und dann auf dem Circagelaende und am Fluss in der Innenstadt dreihundert kleine Steinchen zu suchen, um sie dann fleissig mit lachenden, gluecklichen Gesichtern zu bemalen.

Die Geschenke wurden von den Kindern ganz unterschiedlich aufgefasst: einige fanden es etwas komisch Steine geschenkt zu bekommen, andere verstanden nicht wieso ich sie mit Gesichtern bemalt hatte, doch viele waren begeistert von der Geschichte und auch von meinen Schmunzelsteinchen und zeigten sie stolz der Lehrerin und ihren Mitschuelern.
Dass mir der Abschied von den Kindern dort teilweise so schwer fallen wuerde, haette ich selbst nicht gedacht. Besonders in dem Colegio mit dem Namen Jesus Obrero, das ich letztes Jahr im Gegensatz zu den anderen beiden nur einmal die Woche besuchte, bettelten die Kinder mich an doch wiederzukommen um zu unterrichten, bestanden darauf nochmal alle Vokabeln zu wiederholen, die sie zu meiner Verwunderung zum groessten Teil noch wussten, und wollten mich nicht gehen lassen. Auch dort wurde ich mit vielen Kuessen, Umarmungen, Dankeschoens, Kuscheltieren und kleinen Briefchen beschenkt. Dieser kleine Abscheid hat mir einen schrecklichen Vorgeschmack gegeben auf das, was mich in drei Monaten erwartet.
Doch bis dahin will ich den Kindern noch viel mitgeben, ihnen mehr Prinzessinen, Kuehe und Lamas malen, sie oft mit in den Park nehmen und ihnen dabei zuschauen, wenn sie an an einem der zahlreichen Feste ihr Tanzbein zu traditioneller Musik schwingen.







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